Bob Ezrin: „Hier geht es um Kunst. Hier geht es um das, was wir machen. Es geht um die Dinge, die wir lieben. Und und wir müssen uns daran erinnern. Wir müssen uns wirklich daran erinnern. Wir müssen in der Tat darüber nachdenken … nicht, darüber, das alles hier sein zu lassen. Aber wir müssen darüber nachdenken, was eigentlich unsere Motivation war, beim ersten Mal, als wir hier her kamen. (Anmerkung: Er meint: „Beim ersten Mal, als wir anfingen Musik zu machen“).
Was machen wir hier? Sind wir hergekommen, weil wir herausfinden wollen, wie man ein Star wird? Sind wir hergekommen, weil wir viel Geld machen wollen und es kommt keins und wir wollen wissen warum? Sind wir hergekommen, weil wir einen Weg suchen, ihr wisst schon, um das Business zu knacken? … Ins Business kommen? … Wollen wir im Business sein? Wenn das der Grund ist, warum wir hier sind … dann sind wir alle gefickt! [Gelächter] (Anmerkung: Der Ausdruck ‚fucked‘ ist im Amerikanischen um einiges harmloser. Man könnte auch ‚aufgeschmissen‘ sagen).
Weil das Business nach der Kunst kam. Das ist etwas, das –– wisst ihr, ich muss mich daran jeden Tag selbst erinnern … also, … Zeug wie … ich bin hier nicht eine Art von Guru und pinkele auf euch oder so etwas. Das ist etwas, woran wir uns alle erinnern müssen. Aber wir verfangen uns in der Welt, … wir verfangen uns in der Welt um uns herum und die Welt um uns herum ist nunmal eine kommerzielle Welt. Und es ist eine Welt voller Habgier, und Geldgier, und Unsicherheit.
Jeder will sozusagen wissen, wo der nächste Scheck her kommt, wie werde ich eine Millionen machen, was werde ich machen? Und solche Sachen überschütten dann das, was uns dazu bewegte erstmalig anzufangen, das, was der ursprüngliche Impuls war, sogar um letzendlich in diesem Raum hier zu sein. Und das war, an irgendeinem Punkt in unserem Leben, üblicherweise sehr früh in unserem Leben, ein Feuer, das in uns entzündet wurde. Und es wurde entzündet von, in einigen Fällen einem Verwandten den wir bewundert haben und den wir nachahmen wolten. In anderen Fällen von etwas, das wir gesehen haben. In meinem Fall war es auf gewisse Weise beides.
Ich lasse die Rede, die ich geschrieben habe, jetzt mal beiseite. Drauf gepfiffen.
In meinem Fall waren es beide dieser Dinge. Mein Großvater war ein Linotype-Maschinist (altmodischer Drucker; Zeilensetzer) in Toronto. Wie viele Kanadier sind hier? (Schaut sich um; nimmt Kontakt zu den Zuschauern auf …) Yo. (hebt eine Hand zum Gruß) „How ‘bout them Leafs, eh? Yeah.“ (Das ist ein Ausspruch, der sich auf ein kanadisches Eishockey Team bezieht. Ein Insider unter Kanadiern.)
Mein Großvater war ein Linotype-Maschinist in Toronto, und ein frustrierter Varieté-Schauspieler. Ein Sänger und Tänzer in seinem Herzen. In seinem Herzen war er Gene Kelly, oder Fred Astaire (Anmerkung: beide waren große Musical-Stars) oder jemand in der Richtung. Er war ein guter Tänzer, ein echter Profi-Tänzer. Und er sang … seine Version von „Old Man River“ war die schönste, aus dem Herzen gefühlte, wärmste Version, die ich jemals gehört habe.
Also als ich klein war, so in etwa ein und ein halbes Jahr alt, begann er, mir den Song und die Tanzschritte beizubringen. Und wir beide waren … ich war so eine Art kleiner Schatten von ihm … ich war kahl, er war kahl. [Gelächter] Wir führten unsere kleinen Tanz-Choreographien auf, zum Beispiel (singt) „Me And My Shadow …“. Er brachte mir diese Sachen bei, die ich liebte, und wir performten vor der Familie. Die Familie applaudierte und ich dachte nur: „Yeah! Das gefällt mir! Fühlt sich gut an.“
Und ich liebte den Sound seiner Stimme. Ich habe es einfach geliebt, mit ihm zu singen. Ich liebte einfach dieses Gefühl, diese überwältigende Atmosphäre, die dabei entstand, so dass alles andere um mich herum verschwand. Ich habe weder die Vögel gehört, noch wusste ich was im Fernsehen läuft, meine Mutter war in einem anderen Raum. Nichts zählte, außer dem Sound dieser zwei Stimmen. Meine kleine Stimme, die mit seiner mitsang.
Und dann, als ich vier-einhalb Jahre alt war, nahm er mich mit in‘s Kino um Charlton Heston in „Die größte Schau der Welt“, ein Zirkusfilm, zu sehen, und es war das Jahr 1954. Also im Jahr 1954 gingen wir, um uns „Die größte Schau der Welt“ anzusehen und wir saßen in diesem großen, dunklen Raum mit diesen wundervollen Lautsprechern und mit dieser großen Leinwand und ich sah Leute auf der Leinwand fantastische Tricks machen. Und mein Großvater sang mich an, so leise, als wir da so saßen. (Er macht eine Geste, als würde er einem kleinen Jungen den Arm um die Schulter legen und ihm leise in‘s Gesicht singen) Und irgendetwas passierte, irgendwas ging dann einfach *Doung*, (er macht ein Geräusch) und ich veränderte mich einfach in meiner Zellstruktur, genau in diesem Moment und ich wurde völlig süchtig nach dem Gedanken, auf der Bühne zu sein. Das war es, was ich machen wollte. Ich wollte im Showbusiness sein.
Aber ich wollte nicht im ‚Business‘ sein, ich wusste nicht was der ‚Business‘-Teil bedeutet, ich wollte in der Show sein. Das ist es, was ich wollte: ich wollte in der Show sein. Ich wollte singen, ich wollte tanzen. Meine kleinen Brüder und ich führten Songs und Tänze auf. Meine Eltern brachten uns das bei. Ich hatte zwei jüngere Brüder, die Zwillige waren. Und wahnsinnig süss. Sie waren rothaarig, ich war dunkelhaarig. Also stand einer links und einer rechts von mir, wir trugen kleine, gestreifte Jacken und kleine Strohhüte. Wir führten alle Standards in zweistimmigem Gesang auf und wir tanzten. Und wir führten die Sachen für die Familie auf und alle applaudierten. Und ich liebte das. Ich ich liebte das einfach.
Und das war der zündende Funke! Es begann mit vier-einhalb … naja, es begann mit ein-einhalb Jahren. Und es wurde einfach ein Teil von mir, bis zu dem Punkt wo nicht ich mich dafür entschied im Entertainment (tätig) zu sein, es entschied sich einfach für mich. Ich meine, das war es. Ich war erledigt (fertig, bereit), wie Toast. (Das ist Umgangssprache, im Original heißt es: „I was done like toast“). Und ich hatte keine andere Wahl, außer etwas zu erschaffen, (solche) Sachen zu machen. Singen, tanzen, performen.
Eines Tages begann ich Klavierstunden zu nehmen und ich setzte mich an dieses riesige Stück Holz und sank weg. Nun, das war nicht gerade meine erste Erfahrung (damit). Meine Mutter war Konzertpianistin, daher lag ich (früher immer) unter dem Klavier, hörte mir ihr Klavierspiel an, und stellte mir Sachen vor und träumte. Und hörte mir Schallplatten mit klassischer Musik an. Ich liebte Klassik-Schallplatten. Als ich ein Jahr alt war hatte ich offenbar meinen eigenen Schallplattenspieler und ich wusste welche Platte welche war und hörte sie mir an. Also, ich kannte die Songs.
Also lag ich unter dem Klavier und meine Mutter … aber als ich selbst anfing Klavier zu spielen, und ich fand Noten, begann ich Sachen (er meint Teile der Musik) herauszuwerfen und ich mochte die Art, wie es klang und ich erinnerte mich daran, was ich herausgeworfen hatte und warf es am nächsten Tag wieder raus. Und das war Songwriting. Ich begann Songs zu schreiben und ich liebte das! Ich liebte es einfach! Und das wurde ein Teil meiner Zellstruktur. (Man würde wohl sagen: es wurde ein Teil meiner Selbst. Im Original heißt es: „And that became a part of my cellular makeup“).
Und zwei Jahre später, mein Onkel Sid, der Anwalt in Toronto war und (zudem) Junggeselle, also er hatte eine Menge Geld, denn jeder von euch der Kinder hat, kennt wohl den Unterschied (wendet sich dem Publikum zu; Gelächter). Also, wisst ihr, er war ein Junggeselle und er lebte mit meinen Großeltern, lebte mit meinen Großeltern, bis er 50 war. Was haltet ihr davon, hm? (Wendet sich an‘s Publikum; Gemurmel. Im Original heißt es: „How‘s that?“)
Wir reden hier von … wisst ihr, freier Miete! (Gelächter) Also Onkel Sid hatte einen Sportwagen und Onkel Sid hatte die erste Stereo-Anlage in Toronto und besaß die größte, private Plattensammlung in Kanada. Also ging ich mit Onkel Sid regelmäßig in‘s Untergeschoss im Haus meiner Großeltern und ich hörte der Stereo-Anlage zu, und er spielte für mich auf der Stereo-Anlage ein Album namens „Spike Jones in Spooktacular Stereo“, … „die Band, die zum Spaß spielt“. (Original: „The Band that plays for fun“).
Und das war das erste Mal, als ich Sachen sich von Lautsprecher zu Lautsprecher bewegen hörte. Es ging immer *Doug, doug, doug, doug, doug, doug* (er gestekuliert mit einer Hand einen Halbkreis mit markierten Punkten im Stereofeld um sich herum). Das war, als Stereo gerade erstmals heraus kam und die Leute so etwas machen konnten. Also taten sie es, wisst ihr? (Im Original heißt es: „You know“; häufig gebrauchte Redewendung in den USA). Alles war (voller) Glocken und Flöten, aber ich verliebte mich in diesen Sound. Und er hatte Bandgeräte. Er hatte eine Menge Bandgeräte.
In der Tat (Original: „in fact“; häufig gebrauchte Redewendung in den USA), der beste Freund von Onkel Sid war ein Zahnarzt aus San Francisco, namens Wally Heider. (Ein bekannter Musikproduzent und Studiobesitzer, der unter anderem mit Creedence Clearwater Revival, Jefferson Airplane, Grateful Dead und T. Rex arbeitete).
Und die beiden gingen auf diese Konferenzen und nahmen ihre transportablen Ampex-Maschinen mit, die eigentlich nicht transportabel waren, denn sie hatten die Größe dieses Tisches. (Zeigt auf den Tisch hinter sich). Und sie schleppten sie „onto the field“ (vermutlich meint er: in diese Konferenzen), sie (die Maschinen) hatten lange Kabel, die den ganzen Weg zurück reichten zum Strom und so weiter, und sie (Onkel Sid und Wally Heider) nahmen das Newport Jazz Festival auf und solche Sachen.
Und Onkel Sid besaß einen Jazz Club in Toronto, und dann einen Folk Club. Wie auch immer, als ich in Onkel Sid‘s Untergeschoss spielte, begann ich mit Plattenspielern herumzuspielen, und Bandgeräten, und er hatte Mikrofone, und er hatte Kopfhörer, wisst ihr, seltsame Kurzwellenradios, all solche Sachen. Ich bekam den Geruch und das Gefühl dieser Sachen, und wurde absolut süchtig danach. Der Geruch von Tonband. Das veränderte meine Zellstruktur ebenfalls. (Das würde man im Deutschen völlig anders formulieren. Ich lasse es mal so stehen ☺).
Wie auch immer, eine Menge solcher Dinge passierten. Ich könnte noch eine Stunde weiter erzählen, über die wundervollen, sozusagen das Zusammentreffen solcher Umstände, die mir als Kind passierten und die es mir unmöglich machten, irgendetwas anderes zu machen, außer Dinge zu kreieren. Das ist es, was ich mache. Ich erschaffe Zeug. (Original: „I make Stuff“). Wie viele von euch sind so? (Wendet sich zum Publikum) Wie viele von euch erstellen zuhause Zeug? Wie viele Leute machen es nur, wenn ihnen dafür jemand einen Scheck ausstellt? Niemand würde das zugeben, aber einige Leute … aber wie auch immer. Ich muss. Ich muss Sachen erschaffen. Ich muss versuchen, ich muss versuchen gut zu sein, und ich muss kreieren, und ich muss neue Ideen entwickeln. Das ist nichts, dessen ich mir bewusst wäre, es ist nicht so, dass ich die Treppe runtergehe und mir sage: „Oh Gott, ich muss … ich muss heute eine Idee haben.“ Ich wache einfach auf und habe eine Idee. Ich wache auf und dann ist da ein Konzept für eine neue Fernsehshow, oder ein Konzept für einen Song, oder etwas das ich auf der Bühne sehen möchte, und dann muss ich das einfach machen. Ich muss.
„When I get that thing“ (ich vermute, das bedeutet: „wenn mich diese Sache erstmal gepackt hat“), dann gehe ich raus und suche nach anderen Leuten, die ebenfalls spielen wollen. Denn letztendlich sind die Dinge, die ich machen will nicht nur für mich selbst, sondern auch um … anderen Leute eine Freude zu machen. Möglicherweise liegt das an der Art, wie ich aufgewachsen bin.“