Bob Ezrin: „Wie auch immer ihr es nennen wollt. Naja, dann, man leistet sich also eine Arbeitsmöglichkeit in einer Art, einer Art kreativem Paradies. Falsch! Es war die Hölle. Es war in der Tat die Hölle. Kennt ihr „The Devil‘s Advocate“? („Im Auftrag des Teufels“; 1998) Diesen Film, habt ihr diesen Film gesehen? Also, es war wirklich die Hölle. Es sieht zunächst so aus, wie alles, das du jemals in deinem Leben haben wolltest. Aber es stellt sich als das heraus, was du niemals wolltest. Alles, was du nicht haben solltest. Diese Künstler, die von diesen Gönnern unterstützt wurden, diesen Sponsoren, diesen Major Labels, waren an diesem Punkt ihrer Karriere … sie wurden das Eigentum der Sponsoren, der Gönner.
Und sie mussten das schreiben, was dem Förderer gefiel. Also, an diesem Punkt sind wir davon weg gekommen, an dem du für dich selbst etwas kreierst, der Kreativität wegen; jetzt kreierst du für dein Abendessen, du kreierst für Dollar, du kreierst für deinen Unterstützer. Und natürlich lebt man nun auf einem (feinen) Hof … wie man das zu dieser Zeit so machte … und sie entwickelten teure Angewohnheiten; sie holten sich schicke Klamotten, sie hatten eine Menge Frauen, ihr wisst schon, einige davon entwickelten Drogen-Angewohnheiten, alle hatten schicke Kutschen und solches Zeug und die ganze Ausstattung eines, ihr wisst schon, mittelalterlichen Rockstars.
Und um ihren Lifestyle zu halten, befanden sie sich auf einmal in der Lage, mehr und mehr die Ärsche zu küssen, und mehr und mehr dem Willen des Förderers nachzugehen und weniger nach ihren eigenen Geboten.
So, schnell vorspulen. Im frühen zwanzigste Jahrhundert, kam dann aufgenommene Musik auf und veränderte das Gesicht dieser Kunstform und kreierte … erzeugte … eine neue Industrie, die nie zuvor existierte. Sie existierte in gewisser Weise in Form von Musik auf Notenblättern, aber diesen Bereich klammere ich an dieser Stelle mal aus; das ist noch mal eine ganze Sache für sich. Aber ganz am Anfang, als Recording-Technik … als Recording-Technik sich flächendeckend durchsetzte, gingen die Hersteller dieser Aufnahme-Kisten und Playback-Kisten raus und heuerten Musiker an, um Zeug aufzunehmen, um ihnen zu helfen, ihre Kisten zu verkaufen. Das war der ganze Sinn von aufgenommener Musik, sie hatte keinen anderen Sinn im Leben. Ihr Zweck war, Kisten zu verkaufen. (Anmerkung: Bob Ezrin sagt im Folgenden immer „Boxes“, also Kisten. Ich weiß nicht genau, welche Art von ‚Kisten‘ hier genau gemeint sind, aber es handelt sich um irgendwelche Abspielgeräte. Wahrscheinlich Grammophone, Bandgeräte, oder sogar schon Plattenspieler. Auf jeden Fall eine Art von industriell hergestellter Hardware.)
Also, einige Leute, die sehr bekannt in dem entsprechenden Bezirk waren … großartige Künstler, großartige Komponisten und so weiter … wurden herbeigebracht und ihnen wurde ein großer Scheck ausgehändigt, Punkt. Pder ein kleiner Scheck. Einige Leute aus Tin Pan Alley bekamen 25 Schleifen („Bucks“, also Dollars); sie kamen rein, verkauften ihren Song und ihre Performance an den Hersteller, die Columbia Recording Company, beispielsweise, die solche Kisten herstellte. Und diese Leute besaßen dann ihre, ihre Performance, naja, sagen wir mal, pressten genügend Kopien, um sie zusammen mit der Kiste wegzugeben, als Hilfsmittel, um die Kiste zu verkaufen.
Und sie stellten fest, naja, ihr wisst schon, wenn die Leute einmal die Kiste haben, müssen wir ihnen mehr Zeug geben, weil sie mehr Zeug abspielen wollen. Also fingen sie an, diese Hersteller-Firmen, fingen an mehr aufgenommene Inhalte zu kreieren, um in der Lage zu sein, diese gemeinsam mit ihren Kisten zu verkaufen. Alles, die Triebkraft dahinter war damals … und sie ist es sogar in der Tat auch heute … Kisten zu verkaufen. Das ist es, worum es geht. Es ging nicht darum, Kunst zu verteilen; es ging auch nicht um irgendetwas anderes. Es ging darum, ihnen die Software zu geben, die nötig ist, um die Hardware zu verkaufen. Es war wie OEM Disketten, die du kriegst, wenn du einen Computer kaufst, richtig? (Anmerkung: OEM bedeutet „Original Equipment Manufacturer“, OEM Software ist die Software, die beim Kauf der meisten Computer direkt mitgeliefert oder zu günstigeren Konditionen mit verkauft wird, beispielsweise das Betriebssystem ‚Windows‘).
Es war also im Jahr 1910, als ein Typ namens John McCormack, der ein großartiger, irischer Tenor war, einer der ersten, echten, internationalen Superstars, sich an seine Recording-Company wendete und sagte: „Ich werde mein Zeug nicht an euch verkaufen, aber ich werde es euch vermieten.“ Erst zu diesem Zeitpunkt, kamen Lizenzen in‘s Spiel. Vorher gab es zwar Verlagslizenzen; das ist eine andere Geschichte, erneut, wir werden eines Tages mal das ganze Publishing Geplappere machen (übrigens: im Original sagt er „Publishing rap“ ☺ ), aber, wir reden momentan ausschließlich über das Platten-Business.
Also, im Jahre 1910 war John McCormack in der Lage $10,000 Dollar Vorschuss für 1% des ganzen Geldes, das von der Plattenfirma für jede seiner Performances beansprucht wurde, zu erheben. (Anmerkung: Diese Aussage ist hier etwas unverständlich formuliert. Gleich wird noch mal aufgeklärt, was der Sänger genau bekam.) Und Bingo, die moderne Plattenindustrie war geboren. Er gab damals den Ton vor, für eine Reihe großartiger Künstler, die bis dahin nichts mit den Kisten-Herstellern zu tun hatten, weil sie das Gefühl hatten, dass diese ihr Zeug weggeben und daran waren sie einfach nicht interessiert.
Und dann ganz plötzlich, klammerten sich alle daran das so zu machen. Jeder wollte aufnehmen, jeder wollte … ihr wisst schon, die hatten von den $10.000 Dollar gehört; das ist phänomenal! Ich will $10.000 Dollar, ich will 1% von all diesen Sachen, die sie verkaufen. (Anmerkung: Ich glaube hier ist gemeint, dass der Sänger 1% der Umsätze durch die ‚Kisten‘ erhielt. Was für ein Geschäftsmodell! Heute undenkbar, als Künstler 1% Firmenanteile einer großen Plattenfirma zu erhalten.) Ich hörte, das ist eine aufkeimende Industrie, ich will ein Teil davon sein. Ich will in diese Sache rein kommen. Und „re-propelled everybody“ (zurück-angetrieben? ich vermute, er meint „das trieb jeden an“), genau wie den Typen, der sich an den Gönner und den Sponsor klammerte, sich an eine solche Firma zu binden und seine $10.000 Dollar und sein 1% zu kriegen und seinen Lifestyle aufzublasen und all die ganzen anderen Sachen, die sie machten und auf einmal wurden sie im Endeffekt die Angestellten einer Kisten-Firma.
Was wissen die von Musik? Die wissen etwas über Kisten! Sie wissen, das gewisse Arten von Musik Leute dazu bringt, mehr Kisten zu kaufen, daher sind sie daran interessiert. Denken sie, das das gut ist? Es ist ihnen egal! „Ich gebe einen Dreck darauf. Alle machen momentan [unklar]. Wir veröffentlichen [unklar] Platten. Okay!“
Also diese … alle diese Künstler begannen dort Verträge zu machen und sie … [ca. 10 Sekunden Pause; Bob Ezrin dreht sich zu jemandem aus dem Publikum. Er hört ihn etwas zu seinem Nachbarn sagen, was man im Video kaum hört.] … Ich kann alles hören. Das war phantastisch. [Gelächter] Wie auch immer, also, das war der Beginn der modernen Plattenindustrie, und dann, ihr wisst, ihr Leute wisst ja in etwa was dann geschah; eine Explosion von Platten und plötzlich bemerkten die Leute: „Wow, da sind eine ganze Menge Kisten da draussen und alle wollen Zeug für ihre Kisten haben“, daher begannen darauf spezialisierte Plattenfirmen zu wachsen.
Und sie gingen raus und konkurrierten mit den Kisten-Herstellern. Und sie machten das Gleiche. Sie nahmen Leute unter Vertrag, die gaben ihnen Vorschüsse, sie gaben ihnen Lizenzen und veröffentlichten ihr Material. Und ihr Job war dann, nicht Kisten zu verkaufen, sondern sich zu Nutze zu machen, dass (bereits eine ganze Menge) Kisten verkauft wurden und einfach Platten zu verkaufen. Sie nannten sie Platten. Große, runde Scheiben, das waren sie, sie verkauften Scheiben.
Erneut, sie wussten nichts über Musik. Sie wussten etwas über Scheiben. Sie wussten, wie man Zeug bewegt, sie wussten wie man es rein und durch den (Verkaufs-)Kanal kriegt, sie wussten wie man es in Geschäfte kriegt, sie wussten was lief und was nicht lief und das war ihr Antrieb zu verkaufen … „err“ (err = Error = er möchte sich korrigieren), ihr Antrieb etwas unter Vertrag zu nehmen, besser gesagt.
Sobald sie eine Art von Einstellhebel haben, wohin der Markt ging, dann würden sie „impose upon their charges“, nur um genau das zu tun, weil das das Business ist, in dem sie waren. (Diese Redewendung verstehe ich nicht und konnte auch keine Übersetzung finden. Ich vermute, dass hier so etwas gemeint ist, wie ‚alle ihre Möglichkeiten ausnutzen‘.) Und erneut, ihr wisst schon, die Künstler die bei ihnen unter Vertrag waren, wurden mit Schecks und mehr Berühmtheit und so weiter gelockt, im Wesentlichen durch Habgier verbrannt, und sie verkauften ihre Seelen, und sie waren involviert in die Geschäfte dieser großen Firmen und so fuhren sie fort.
Im frühen Stadium der Plattenindustrie, war es sozusagen eine Schwerlast-Hebung, Platten herzustellen, das war ein dickes Ding. Nicht jeder konnte das machen. Nur große Firmen konnten sich die „lathes“ und die großen Hörner leisten und diese großen, ihr wisst schon, schalldichten Räume, die sie bauen mussten um Platten zu machen. („Lathes“ und „big horns“, offenbar teures, veraltetes Equipment, um Platten herzustellen). Das war also der Herrschaftsbereich von vier oder fünf Major Companies. „Um“, und diese Art von Firmen hielt sich bis in die 1930er und 1940er Jahre, bis zum zweiten Weltkrieg.
Und während des zweiten Weltkriegs, wurde von diesem Land hier (USA), Japan und Deutschland wesentlich bessere Technologie entwickelt und viel, viel kleinere und transportableres Zeugs für den Krieg. Und die Deutschen im Speziellen, entwickelten eine Technologie, die sich Bandaufnahme nannte. In der Tat stahl Amerika die Bandmaschine von den Deutschen, als sie sie besiegten. Die erste Stereo Bandmaschine wurde offensichtlich, wurde offensichtlich erbaut in den späten 30er Jahren, aber es war eine Technologie, über die die Amerikaner während des zweiten Weltkriegs stolperten. Und sie brachten sie hier her mit zurück, und einige der Miniaturisierungen in die Deutschen mit involviert waren, und die Japaner, flossen in die Technologie ein. Die Technologie wurde auf breiterer Ebene verfügbar und das nächste was passierte, in den frühen 1950er Jahren konnte man sich diese Technik leisten und die Leute konnten demzufolge ihre eigenen Studios aufbauen.
Es war nicht billig, aber es war auch nicht unerschwinglich. Daher konnte beispielsweise ein Typ wie Sam Philipps eine Hypothek auf sein Haus aufnehmen, eine Geschäftsfläche im Stadtzentrum von Memphis anmieten und ein Aufnahmestudio aufbauen, mit einem Investment von $5.000 Dollar und dann jeden aus der Stadt einladen, der talentiert war, vorbeizuschauen und etwas aufzunehmen. Das Indie Label war geboren. Das unternehmerische, energische, musikgetriebene „street level“ Indie Label war geboren.
Diese Leute waren nicht interessiert, Kisten zu bewegen. Die konnten nichtmal darüber nachdenken; das waren nur kleine Typen, die hatten keine Ahnung. Denen ging es darum, herausragende Talente zu finden. Denen ging es darum, die Performance (hervorragend) aufzunehmen. Sie waren süchtig nach Recording. Und sie waren interessiert daran, möglicherweise, diesen Künstler mal in‘s örtliche Radioprogramm zu kriegen, oder vielleicht sogar in der gesamten Region, damit der Künstler herumfahren konnte und live spielen konnte. Und denen ging es darum, den Künstler bis zu einem Punkt zu weiter zu entwickeln, an dem sie irgendwann nicht mehr weiter wussten, was sie eigentlich mit ihm machen sollen.
Es gab eine Fülle solcher Labels, die in den 1950er Jahren anwuchs. Man kann die alle nachschlagen, ihr wisst, von Chess Records, über Stacks, bis hin zu, ihr wisst schon, Sun, und DelRay und, einfach Tonnen solcher Labels, die alle an den seltsamsten Orten des Landes aufkamen. Kleine Labels in New Orleans, und kleine Labels in Detroit, und Buffalo, und Cleveland und … und das waren die Orte, wo Talente entdeckt wurden.“